Gewerkschaftstag 2015

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20.10.2015 Unser Erster Bevollmächtigter Roland Hamm fordert auf dem 23. Ordentlichen Gewerkschaftstag konsequente Solidarität und Rüstungskonversion. Hier seine Rede vom 19. Oktober aus dem Tagesprotokoll.

Es hat mich sehr bewegt, weil ich glaube, dass wir zu Recht stolz sein können auf unsere IG Metall, weil sie sich in ihrer Geschichte nie nur als eine tarifpolitische Organisation verstanden hat, sondern weil wir uns auch immer als politische und gesellschaftspolitische Organisation verstanden haben. Ich glaube, das hat unsere IG Metall in den letzten 125 Jahren stark gemacht, und darauf können wir wirklich stolz sein. (Beifall)

Deshalb bitte ich alle anderen Kolleginnen und Kollegen aus der Vorstandsverwaltung, jetzt nicht böse zu sein, wenn ich ihre Themen nicht anspreche. Mich, und ich glaube, nicht nur mich, treiben im Moment zwei große Themen in Europa um, die Wolfgang Lemb ziemlich präzise benannt hat, die zwei großen Herausforderungen: Wie lösen wir solidarisch das Thema der Flüchtlingszuwanderung, der Heimatsuche von Hunderttausenden von Menschen, die zu uns nach Deutschland kommen, die dem Krieg entfliehen, die den Bomben entfliehen? Ich folge Wolfgang, wenn er sagt, wir werden dieses Problem nicht lösen, wenn wir neue Mauern hochziehen, wenn wir neue Stacheldrähte hochziehen, wenn wir neue Grenzanlagen schaffen, sondern wir werden dieses ganze Problem nur lösen, wenn wir es nicht isoliert in Deutschland, sondern in Europa lösen, beispielsweise durch Ausgleichszahlungen, aber auch ausdrücklich mit einem vernünftigen Einwanderungsgesetz, das seit Jahr und Tag überfällig ist. (Beifall)

Ähnlich wie meinem Vorredner geht es mir auch zunehmend in den letzten zwölf Jahren um die Frage, was in den Köpfen einiger unserer Kolleginnen und Kollegen vor sich geht. Ich habe darüber in den letzten drei Beiratssitzungen diskutiert, weil mich das Thema umtreibt und weil ich möchte, dass wir als Organisation Initiativen anbieten und in den IG Metall-Verwaltungsstellen um die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen kämpfen.

Aber es gibt eben auch die andere Seite; es gibt die Pegida, es gibt die Thügida und wie sie alle heißen, bei denen wir zur Kenntnis zu nehmen haben, dass bedauerlicherweise auch Kolleginnen und Kollegen von uns mitmarschieren. Deswegen sind wir in hohem Maße gefordert, dagegenzuhalten. Da wünsche ich mir von meiner IG Metall, dass sie stärker dagegenhält, dass es keine Metallzeitung gibt, in der wir das Thema nicht problematisieren, dass es eine Vertrauensleutesitzung mehr gibt, in der wir nicht über dieses Thema diskutieren, und dass wir uns überall dort, wo diese Rechtspopulisten und Faschisten auftreten, denen als IG Metall entschlossen entgegenstellen. (Beifall)

Für mich ist eines klar: Wer die Krisen in der Welt verfolgt, die derzeit wieder zunehmen und die militärisch ausgetragen werden, der weiß: Die Flüchtlingswanderungen werden weiterhin dramatisch zunehmen. Deshalb, Jürgen, es ist nicht schön und keine erfreuliche Aufgabe, wenn Du Dich um die Fragen von Rüstungspolitik kümmern musst.

Aber lasst uns an die Tradition der IG Metall nicht nur anknüpfen, sondern weiterhin festhalten. Treten wir auch zukünftig trotz aller Beschäftigungsthemen in der Rüstungsindustrie geschlossen für das Verbot von Rüstungsexporten ein. Sorgen wir dafür, dass insbesondere in einem ersten Schritt in den Ländern, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, das sofortige Verbot von Rüstungsexporten, von Kleinwaffen wie Maschinenpistolen und Sturmgewehren erfolgreich ist. Es kann doch nicht sein, dass die Rüstungsindustrie seit zehn Jahren in der Exportwirtschaft wächst und wir sehenden Auges die Katastrophe begleiten. (Beifall)

Deswegen abschließend zu meinem ersten Thema: Ich glaube, wir müssen als IG Metall wieder verstärkt das Thema Konversion in den Mittelpunkt unserer Debatten stellen. Konversion - das sage ich auch ganz klar - braucht staatliche Begleitung. Ohne staatliche Begleitung werden wir es nicht schaffen. Aber Konversion braucht auch, dass wir Metallerinnen und Metaller in den Betrieben sie wieder zum Thema machen, dass wir nicht, wie in den Siebzigerjahren dazu schweigen, sondern dass wir die Diskussionsprozesse nachhaltig anstoßen.

Das zweite Thema, das ich ansprechen will, ist ein solidarisches Europa, insbesondere mit Blick auf die Eurokrise. Ich weiß nicht, wer von Euch vor wenigen Tagen, um den 1. Oktober herum, auf Zeit online ein bemerkenswertes Manifest einer Sozialdemokratin gelesen hat, die das mit noch viel bemerkenswerteren Sozialdemokraten, nämlich Namen wie Wolfgang Roth und Dieter Spöri, also alles keine Genossen, die so ganz mit Herz und Seele auf der Seite der IG Metall gestanden sind, verfasst hat.

Das Manifest trägt den interessanten Namen "europäisches Europa". Im ersten Moment dachte ich: Was heißt denn jetzt "Europäisches Europa", was soll die Doppelung? Aber wer sich mit dem Manifest beschäftigt, wer darüber nachdenkt, der merkt doch gerade am Beispiel Griechenland, dass es notwendig ist, solche Titel wie "Europäisches Europa" zu erfinden. Weil wir immer mehr wegen Merkel"scher und Schäuble"scher Politik dazu kommen, dass Europa zu einem deutschen Europa verkommen soll, dass Europa gezwungen werden soll, unter neoliberalen Gesichtspunkten noch mehr soziale Spaltung zu produzieren, den deutschen und französischen Banken Schutzrechte zu gewähren, aber zuzusehen, wie unsere griechischen Kollegen nach jedem Memorandum mehr leiden und mehr aufgezwungene Sparmaßnahmen aushalten müssen. Deswegen fordere ich auch hier mehr öffentliche Solidarität ein. Wir können doch der Bild-Zeitung und anderen Medien nicht das Feld überlassen, ohne dass wir als IG Metall Stellung beziehen. (Beifall)

Da finde ich es gut, dass die Erklärung "Griechenland nach der Wahl" keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa sah. Aber ich glaube, wir dürfen da nicht stehen bleiben. Deswegen möchte ich werben. Und ich halte den Initiativantrag "Europa neu begründen", der hier durch die Reihen läuft, für aktueller denn je, weil in diesem Initiativantrag aus meiner Sicht richtige Forderungen erhoben werden.

Detlef und Wolfgang haben dazu aufgefordert, sich entschlossener für ein solidarisches Europa einzusetzen. Ich denke, da sind wir als IG Metall richtig und gut aufgestellt, an der Spitze mitzuarbeiten. Helft mit, durch gemeinsame solidarische Aktionen in Europa eine breitere Öffentlichkeit für dieses Thema zu erzeugen. Nehmen wir uns ein Beispiel an TTIP und CETA, nehmen wir uns ein Beispiel an der Bewegung für die Sicherung der Wasserrechte auf der Welt. Wir haben die Kraft, Kolleginnen und Kollegen wir können überzeugen.

Deswegen bitte ich Euch darum: Lasst uns gemeinsam als IG Metall zu diesem Thema ein breites Bündnis schließen. Unterstützt den Initiativantrag mit Eurer Unterschrift. - Herzlichen Dank. - (Beifall)

Letzte Änderung: 20.10.2015