Pflegeversicherung

Gesundheitskosten gerecht verteilen

12.10.2023 Pflegeversicherung: Geflickt statt reformiert. Warum die Pflegereform den Reformdruck nur verschiebt

n der Pflege ist eine wirkliche Entlastung und Unterstützung dringend geboten! Hier wird der Problemdruck von Jahr zu Jahr größer. Der Grund: die Absicherung über die Pflegeversicherung ist nur als Teilversicherung konstruiert. D.h. die Pflegeversicherung zahlt im Pflegefall nur einen Zuschuss zu den Kosten der Pflege, alles was darüber hinaus geht, muss von den Pflegebedürftigen bzw. ihren Angehörigen selbst bezahlt werden. Hinzu kommt, dass viele der Leistungen seit ihrer Einführung kaum oder gar nicht angehoben wurden, sodass die Zahlungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, um Pflege wirklich deckend zu finanzieren. Dies betrifft sowohl die ambulante Pflege zuhause als auch die stationäre Pflege im Heim. Die Folge ist, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen real immer größere Anteile an den Kosten der Pflege zahlen müssen. Die soziale Absicherung bei Pflege wird so real schleichend zu immer größeren Teilen privatisiert.

Pflegebedürftige unter Druck

Wie sehr die jüngste Reform hinter den realen Erfordernissen zurückbleibt, wird deutlich, wenn man sich das Beispiel der stationären Pflege im Heim genauer anschaut. Auch hier zahlt die Pflegeversicherung nur einen Zuschuss zu den pflegebedingten Kosten. Alles, was darüber hinaus geht müssen die Pflegebedürftigen selbst zahlen. Dies ist der sogenannte Eigenanteil. Im Gegensatz zu den Leistungen der Pflegeversicherung ist dieser nicht gedeckelt, d.h. wenn Pflege teurer wird, geht das allein zulasten der Pflegebedürftigen! Im Pflegeheim müssen Pflegebedürftige für drei Posten aufkommen: die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, den pflegebedingten Eigenanteil, und die sogenannten Investitionskosten. Letztere sind Kosten, die zur Instandhaltung der Pflegeheime gezahlt werden (z.B. für Reparaturen, Sanierungen, Neuanschaffungen etc.). Eigentlich müssten die Länder, also der Staat, diese zahlen, da sie für die Bereitstellung der Infrastruktur in der Pflege zuständig sind. Da diese jedoch klamm bei Kasse sind werden sie auf die Pflegebedürftigen umgelegt. Die Kosten unterscheiden sich je nach Bundesland. Alles zusammengerechnet müssen Pflegebedürftige im Bundesdurchschnitt über 2400 Euro im Monat aus eigener Tasche zahlen. Eine absurd hohe Summe, die viele Pflegebedürftige nicht stemmen können.

Tropfen auf dem heißen Stein

Zwar zahlt die Pflegeversicherung mittlerweile Zuschüsse gestaffelt nach der Aufenthaltsdauer im Pflegeheim, diese sind aber so ausgestaltet, dass sie für den überwiegenden Teil der Pflegebedürftige keine Entlastung bringen. Auch diese Zuschüsse, die sich nur auf den pflegebedingten Eigenanteil beziehen (roter Teil der Grafik), werden durch die Reform erhöht. Doch reicht die Erhöhung der Zuschüsse aus, um Pflegebedürftige wirklich zu entlasten? Im ersten Jahr wird der Zuschuss ab 2024 15 % statt aktuell 5 %, im zweiten Jahr 30 statt 25 %, im dritten 50 % statt 45 % und ab dem vierten Jahr 75 % statt 70 % betragen. Am Beispiel des Bundesdurchschnitts bedeutet dies, dass die monatliche Gesamtrechnung des Pflegeheims im ersten Jahr um 171 EUR (15 % von 1.139 EUR) geschmälert würde - selbst zu zahlen sind dann "nur" noch 2.297 EUR. Von echter "Entlastung" kann hier also kaum die Rede sein. Die Kosten für Pflege können nach wie vor immens hoch sein, weiter steigen und viele Menschen überfordern. Ein Zustand, der so nicht bleiben darf und zurecht die Debatte entzündet hat, ob alle Pflege ein Armutsrisiko ist - denn rund ein Drittel aller Pflegebedürftigen im Heim sind wegen ihrer Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfe angewiesen.

Grundlegende Reform nötig

Vor dem Hintergrund der dramatischen Lage vieler Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen ist klar: die Pflegeversicherung braucht eine doppelte Weiterentwicklung. Das betrifft erstens die Finanzierung: Die Pflegeversicherung muss als Bürger- und Vollversicherung ausgestaltet sein. Die Idee ist genauso simpel wie die der Bürgerversicherung in der Krankenversicherung: ein System für alle! Denn das duale System aus privater und sozialer Pflegeversicherung ist ebenso ungerecht und unzeitgemäß wie das zwischen aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Ein System für alle ist gerecht und ermöglicht ein höheres Versorgungsniveau für alle. Damit sind wir zweitens bei den Leistungen: Mit den generierten Mehreinnahmen könnte z.B. der Weg zur Vollversicherung gegangen werden - sodass die Pflegeversicherung alle pflegebedingten Kosten komplett übernimmt. Der Aufbau eines 3-Säulen-Modells in der Pflege, wie ihn Teile der Politik fordern, hingegen ist keine nachhaltige Lösung. Hintergrund ist auch hier der neoliberale Wunsch nach Privatisierung sozialer Sicherung. Doch die Umwälzung sozialer Sicherung ins Private und die Absicherung über Kapitalmärkte ist in der Alterssicherung bereits gescheitert und taugt so nicht als Vorbild für die Pflege. Mit den generierten Mehreinnahmen einer Pflegebürgervollversicherung hingegen könnte die Gleichung Pflegerisiko = Armutsrisiko endlich aufgebrochen werden.

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Letzte Änderung: 12.10.2023