Zu dumm für die Hängematte?
Jeden Tag wird aufs Neue zu begründen versucht, dass sich für immer mehr Beschäftigte die Arbeit nicht mehr lohnt. Doch von Existenz sichernden Löhnen hält das Massenblatt des Springerkonzerns - siehe Postmindestlohn - offensichtlich nichts, sondern macht Stimmung gegen Hartz IV als angebliche soziale "Hängematte", von der man gut leben könne, und gegen Sozialabgaben, die das Nettoeinkommen mindern (denn bei Niedrigverdienern fallen in der Regel keine Steuern an).
Doch die Fakten sehen anders aus:
- Zweifelsohne gibt es auch unter den Hartz IV-Empfängern ebenso wie in allen Gesellschaftsgruppen "einige schwarze Schafe". Doch die Sanktionsmöglichkeiten sind nirgendwo sonst so groß, wie bei Hartz IV-Empfängern. Selbst gegenüber der vorher geltenden Sozialhilfe für Langzeitarbeitslose wurden sie noch verschärft. Nirgendwo sonst kann die staatliche Daumenschraube so stark angesetzt werden wie bei den Hartz IV-Empfängern.
- Hartz IV-Empfänger müssen mit 347 Euro im Monat ihren monatlichen Lebensunterhalt bestreiten. Für Kinder bis 14 Jahre stehen monatlich 208 Euro zur Verfügung; zwischen 14 und 25 Jahren 278 Euro. Doch jeder zweite Haushalt erhält nicht einmal den vollen Satz, sondern muss sich Einkommen darauf anrechnen lassen. Schmalhans ist hier Küchenmeister.
- Jeder vierte Hartz IV-Empfänger arbeitet, obwohl er davon allein nicht leben kann. 750.000 Menschen müssen sogar Sozialversicherungsbeiträge zahlen und sind auf ergänzende staatliche Fürsorge angewiesen. Nach der "Logik" von BILD müssten sie aber in der "Hängematte" liegen.
- Alleinstehende haben bereits bei 30 Std. die Woche und einem Bruttolohn von 7,50 Euro keinen Anspruch auf Hartz IV. Finden sie einen Ganztags-Job, liegt ihr Einkommen meist deutlich über Hartz IV.
- Bei Familien mit Kindern müssen beide Partner jeden Job bis an die Grenze zur Sittenwidrigkeit annehmen. Wenn dennoch Bedürftigkeit weit schwieriger zu überwinden ist, so deshalb, weil der Staat Niedrigverdiener mit Kindern nicht ausreichend ausstattet. Kindergeld/-zuschlag für Geringverdiener sind nicht Existenz sichernd. Zudem hat kaum noch ein Erwerbstätiger Anspruch auf Wohngeld.
- Hartz IV-bedürftige Familien bemühen sich dennoch um Erwerbstätigkeit. Jedes zweite Paar mit Kindern arbeitet und muss sich Erwerbseinkommen auf Hartz IV anrechnen lassen.
Diese Fakten werden von BILD völlig verschwiegen. Die Kampagne dient offenbar dem Ziel, Rechtfertigungen dafür zu schaffen, den Abstand zwischen Lohneinkommen und einem Leben ohne Job zu vergrößern, und dabei eben
nicht auf Existnz sichernde Löhne zu pochen. BILD sollte klar sagen, ob es Hartz IV und die Kinderzuschläge kürzen will. Das würde die Zahl der Armen in Deutschland noch stärker in die Höhe treiben. Oder
will BILD die Sozialabgaben drastisch senken? Das würde Rentner, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige in die Armut treiben. Fakt ist: Nicht Hartz IV ist zu hoch, sondern rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland verdienen
so wenig, dass
sie davon alleine nicht leben könnten. Das ist der eigentliche Skandal.
Quelle: DGB-Bundesvorstand, 13.02.2008
Letzte Änderung: 14.02.2008