Mai-Kundgebung in Schwäbisch Gmünd

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02.05.2011 Rund 300 Teilnehmer hörten bei DGB-Kundgebung in Schwäbisch Gmünd kraftvolle Reden für faire Löhne, gute Arbeit, soziale Sicherheit und mehr Chance für Jugendliche.

Schwäbisch Gmünd (jo) - Der DGB sieht schwarze Wolken am Horizont auftauchen und mahnt dazu, die Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu korrigieren.

Etwa 300 Menschen waren am Sonntagvormittag zum Prediger nach Schwäbisch Gmünd gekommen, um gemeinsam den ersten Mai zu feiern und für faire Löhne, gute Arbeit und soziale Sicherheit zu demonstrieren. "Demokratie lebt vom Mitmachen", forderte Philipp Jacks, DGB-Regionssekretär Ostwürttemberg, auf. Das gelte für die Straße und das Parlament ebenso wie für die Firma und das Büro. Dass gerade in diesem Zusammenhang in Heilbronn Nazis aufmarschieren dürften sei zynisch, so Jacks und prangerte die Verheimlichungsstrategie von Polizei und Politik an. Die Verantwortlichen in der Polizei und in der Politik müssten endlich die Veranstaltungen der Rechtsextremen als Problem erkennen und nicht den zivilgesellschaftlichen Protest dagegen.

Auch Stuttgart 21 sprach Jacks an. Während die SPD immer noch dafür sei, seien die Grünen und der DGB nach wie vor gegen das Projekt. Grund dafür seien nicht nur die Mehrkosten von mindestens 1,5 Milliarden Euro, sondern auch Zweifel an der technischen Machbarkeit des unterirdischen Bahnhofs. Vor allem die Gmünder würde sicherlich interessieren, dass die Fahrt mit der Bahn nach Stuttgart nach dem Umbau etwa zehn Minuten länger dauern würde, als zum jetzigen Zeitpunkt. Wenn es tatsächlich zu einer Volksabstimmung kommen würde, sei es wichtig, die Fakten zu kennen, so Jacks.

Doch es gebe auch Gutes zu berichten. So habe sich endlich ein DGB-Herzenswunsch erfüllt, als im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung das Tariftreuegesetz für öffentliche Aufträge beschlossen worden sei. Von gut bezahlter Arbeit würden am Ende alle profitieren: Beschäftigte, Sozialkassen und die Wirtschaft. Jacks zitierte aus einer Studie der Friedrich-Ebert-Studie, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro mit einem Schlag sieben Milliarden Euro mehr Steuern einbringen und das Einkommen der privaten Haushalte um 14,5 Milliarden Euro erhöhen würde. Allein in Baden-Württemberg habe es seit dem Vorjahr ein Plus von 56 Prozent bei der Leiharbeit gegeben, wetterte Jacks. Gegen Leiharbeit als Jobkiller helfe nur ein Rezept: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Hier sei die Landesregierung gefordert, so Jacks.

Auch wenn die Studiengebühren bald wegfallen und Ganztagsschulen flächendeckend eingeführt werden sollen, würden Bildungs- und Aufstiegschancen nach wie vor von der sozialen Herkunft abhängen, mahnte Jacks. Der Weg von der Schule in den Arbeitsmarkt würde für immer mehr Jugendliche zu einem wahren Hürdenlauf. Hier erwarte er nicht nur Forderungen, sondern vor allem auch Förderung seitens der Arbeitgeber.

Süffisant legte Peter Yay-Müller, DGB-Kreisvorsitzender, bei seiner Rede los. "Wir feiern heute ein Folklore-Fest", sagte er in Anlehnung an die Aussage von Martin Kannegießer, Präsident Gesamtmetall, aus dem aktuellen "Spiegel". "Nur um sich Profil zu geben, malen Teile der Gewerkschaften ein schwarzes Bild", zitierte Yay-Müller den Text aus dem Spiegel. Es läge in der Denkweise Kannengießers, dass das, was der Arbeitnehmer als würdevolles Geld und würdevolle Behandlung ansehen würde, nichts anderes sei als Kosten für den Arbeitgeber, sagte Yay-Müller. Er forderte seine Zuhörer auf selbst zu entscheiden, ob er ein düsteres Bild male oder ob sich hier die Realität widerspiegele.

Dann fing Yay-Müller an zu malen. Mit Worten zeichnete er ein düsteres Bild nach dem anderen, fügte hier und da etwas Licht hinzu und überzeugte mit seiner Darstellung der Realität, dass die Gesamtsituation nicht rosig aussieht, sondern eher ziemlich düster. Nach wie vor gebe es vier Millionen Menschen, die entweder arbeitslos gemeldet seien oder an einer Maßnahme der Arbeitsagenturen oder Jobcenter teilnehmen würden, so Yay-Müller. Nach wie vor sei Deutschland Europameister bei der Langzeitarbeitslosigkeit und der Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten. Die Arbeitslosenversicherung sei dramatisch unterfinanziert und zukünftig sollen die Mehrausgaben durch privatwirtschaftliche Kredite finanziert werden. Dadurch würden die Kurzarbeiterprogramme der jüngsten Vergangenheit nicht finanzierbar, da zusätzliche Zinsen für Banken aufgebracht werden müssten.

Als weitere dunkle Wolke bezeichnete Yay-Müller die Leiharbeit, die mit einer Million Beschäftigten mittlerweile einen höheren Stand erreicht habe als vor der Krise. "Längst ist die Leiharbeit kein Instrument der Flexibilität mehr, sondern klassische Lohndrückerei", wetterte Yay-Müller. Er kenne Leiharbeiter in der Region, die schon seit mehr als sieben Jahren bei dem gleichen Betrieb eingesetzt seien. Der eigentliche Wegfall der Beschränkungen durch das Entsendegesetz sei nicht das Problem der Gewerkschaften. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland seien Kolleginnen und Kollegen. Der Schuh drücke ganz woanders, meinte Yay-Müller.

Es gebe in Deutschland keinen gesetzlichen Rahmen, der die verschärfte Ausbeutung dieser Menschen verhindere. So seien bereits bei in der Region ansässigen Firmen Angebote für rund sieben Euro pro Stunde inklusive aller Nebenkosten von Entleihbetrieben angekommen. Ein Versuch, die Annahme solcher Angebote per Vertrag mit der IG Metall auszuschließen, sei von einigen Arbeitgebern zwar moralisch anerkannt worden, doch praktisch hätten die Betriebe keine Wahl, wenn sie ihre Kreditwürdigkeit bei den Banken nicht verspielen wollten. "Das ist der eigentliche Skandal", rief Yay-Müller den Kolleginnen und Kollegen zu. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde sei wahrlich kein Jubellohn, doch er verhindere ein solches Lohndumping, das Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft habe.

Doch die Perversität ginge weiter, meinte Yay-Müller und malte mit noch mehr Schwarz ein noch düsteres Bild. Die Minijobs seien ebenfalls zum Instrument der Lohndrückerei geworden. In vielen Betrieben werde den Minijobern weder Urlaub noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch sonstige tarifliche Standards gewährt. Deshalb fordere der DGB die Abschaffung von Minijobs und die Gleichbehandlung aller Arbeitsverhältnisse.

Kein gutes Haar ließ Yay-Müller an der Bildung. Noch immer hätten 1,5 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung, noch immer würden mehr als 65.000 Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss verlassen und noch immer könnten rund 7,5 Millionen Menschen in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz müsse endlich umgesetzt werden, forderte Yay-Müller. Schwäbisch Gmünd sei hier zwar Vorreiter, doch angesichts der hohen Preise befürchte er, dass nur wenige Menschen sich dies leisten könnten, so Yay-Müller. Das Bildungsangebot müsse deshalb nicht nur erweitert werden, sondern es müssten Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden, die sich jeder leisten könne.

Die Atomkraft als Brücke in ein Zeitalter der erneuerbaren Energien sei nicht tragfähig, so Yay-Müller. Wer die Verantwortung für die Zukunft ernst nehme, müsse das Zeitalter der erneuerbaren Energien jetzt einläuten und wer elf oder dreizehn Milliarden Euro Gewinn mache, der müsse auch zur Kasse gebeten werden. Dazu müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Wirtschaft in die Pflicht nähmen. Dazu müssten gerechte Steuern geschaffen und die Tarifflucht verhindert werden. Der Mensch müsse im Mittelpunkt stehen und nicht die Profitgier, forderte Yay-Müller und setzte noch einen drauf: "Das Ansehen der Politik ist in Deutschland gesunken. Das gefährdet die Demokratie, denn sie beruht auf dem Vertrauen der Bürger."

Eindrucksvoll zeigte die IG Metall-Jugend, wie das gemeint war. In einem Sketch unterhielten sich ein Azubi und ein "Knasti". Während der Azubi Überstunden leisten musste, unbezahlte Pausen hatte und auch noch zu Hause lernen musste, schwärmte der "Knasti" von seinem unbeschwerten Leben im Gefängnis: "Ich erhalte jeden Tag drei Mahlzeiten", erzählte er dem Azubi. Wenn es ihm langweilig sei, ginge er in den Aufenthaltsraum oder schaue sich auf seinem "Flatscreen" einen Film an. Bei guter Führung würde er Vergünstigungen erhalten, außerdem sei er unbefristet im Knast. Der Azubi beneidete den "Knasti" und meinte: "Wenn ich meine Ausbildung fertig habe, werde ich auch Knasti."

Mit Gelächter und viel Beifall unerstützten die Versammelten die gut begründeten und engagiert vorgetragenen Forderungen der IG Metall-Jugendlichen nach der unbefristeten Übernahme in den erlernten Beruf nach der Ausbildung.

Text und Fotos: Joachim Ostowski

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Letzte Änderung: 02.05.2011